Politischer Populismus
Politischer Populismus ist der ausgesprochen populistische Titel einer Ausstellung, die versucht, ein Phänomen kritisch und mit künstlerischen Mitteln zu hinterfragen. Die Schau versammelt über zwanzig Positionen internationaler Künstlerinnen und Künstler, die eine Vielfalt künstlerischer Reaktionen auf jeweils spezifische populistische Argumentationsmuster präsentieren. Die wichtigen Themen der Gegenwart wie Migration, Asyl- und Flüchtlingspolitik, Überwachung und Spionage, Zensur, Renationalisierung, Gentrifizierung oder globale Finanzwirtschaft speisen nicht nur die populistische Rhetorik, sie sind auch ein Themenpool aus dem viele Künstler/innen schöpfen. Die Ausstellung und die gezeigten Arbeiten sind als Kommentar zu sehen oder als subversive zweite Ebene, als Analyse oder kritische Fußnote. Vor allem aber verweisen sie darauf, wie omnipräsent politischer Populismus geworden ist. Social Media, Werbeästhetik und mediale Inszenierung haben der Vermittlung politischer Inhalte und Parolen oft mit Hilfe künstlerischer und kunsthistorischer Referenzen ein progressives Aussehen verliehen. Rappende Politiker, speziell auf Youngster abgestimmte YouTube Clips, Fernsehformate oder Popkonzerte, die politische Themen besetzen und Ressentiments gesellschaftsfähig machen, gehören zum modernen Medienalltag. Sie veranschaulichen, dass sich der politische Populismus seit der Jahrtausendwende wesentlich stärker popkultureller wie künstlerischer Verfahren und Ästhetiken bedient als noch in früheren Jahren. Die Ausstellung Politischer Populismus fordert dazu auf, sich dem Spannungsverhältnis zwischen populistisch vereinfachter Weltsicht und künstlerischer Reflexion auszusetzen. Zugleich zeigen viele Werke die Komplexität von Themen und entschleunigen Prozesse, die in der öffentlichen Debatte populistisch reduziert werden. Es geht insofern auch um unser Verhältnis zum Populismus: um Gegenargumentationen zu einer populistischen Vereinnahmung wichtiger gesellschaftlicher Themen. Spätestens Edward Snowden und Wikileaks haben gezeigt, dass im digitalen Zeitalter die Überwachung von Bürger/innen allgegenwärtig geworden ist.
Es geht insofern auch um unser Verhältnis zum Populismus: um Gegenargumentationen zu einer populistischen Vereinnahmung wicht-iger gesellschaftlicher Themen. Spätestens Edward Snowden und Wikileaks haben gezeigt, dass im digitalen Zeit-alter die Überwachung von Bürger/innen all-gegenwärtig geworden ist. In einer neuen Arbeit, die an seinen viel beachteten Beitrag auf der aktuellen Venedig Biennale anschließt, setzt sich Simon Denny mit Dokumenten der NSA auseinander. Indem er die geleakten Geheimdokumente, die internationale Überwachungsstrategien offenbaren, mit Bildern und Symbolen staatlicher Macht konfrontiert, macht er auf die Politik der Bilder und ein verändertes Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit aufmerksam. Auch Trevor Paglen beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit dem Thema Überwachung indem er deren technische Strukturen enthüllt. Der Fotograf, Journalist und Aktivist macht Dinge sichtbar, die eigentlich unsichtbar sein sollten – Geheimgefängnisse, Drohnen, Abhörstationen. Hartnäckig sucht er nach Spuren, die selbst die geheimsten Dinge hinterlassen und verkehrt damit die Logik der Überwachungspolitik. Der Umgang mit Migration und die Asylfrage beschäftigen uns alle – weltweit. Geschürt von rechten Parolen potenzieren sich Unsicherheit und Angst und werden umgehend zu politischem Werkzeug gemacht. Auch Künstler/innen als Seismograf/ innen gesellschaftlicher Entwicklung nehmen sich des Themas an. Erik Van Lieshout führt in seiner Installation Dog (2015) die praktischen Auswirkungen der europäischen Flüchtlingspolitik am Fall des russischen Raketenforschers und Oppositionspolitikers Aleksandr Dolmatov vor Augen. Dolmatov hatte in den Niederlanden um Asyl angesucht und beging 2013 in einem Auffanglager Selbstmord, nachdem er einen negativen Asylbescheid erhalten hatte. Wie sich im Nachhinein herausstellte, lag der Ablehnung ein Computerfehler zugrunde. Die aus dem Kosovo stammende Künstlerin Flaka Haliti beschäftigt sich mit Flucht und Migration und der Bedeutung von Grenzen für Mobilität und Freiheit. Mit blauem Sand gefüllte Taschen, die an unterschiedlichen Orten in der Ausstellung positioniert werden, verweisen auf Entwurzelung und Besitzverlust, die mit einer Flucht einhergehen. Der blaue Sand kann als Metapher für den Horizont gelesen werden, an dem Hoffnung und Beschränkung aufeinander stoßen. Mit Vertreibung durch Gentrifizierung befasst sich Ahmet Ögüt, der für die Ausstellung zwei neue, mit Nail Houses betitelte Installationen produziert. „Nail House“ ist ein aus dem Chinesischen stammender Begriff für Gebäude, deren Besitzer sich im Zuge großer Bau- oder Modernisierungsprojekte weigern, ihre Häuser aufzugeben. Sie sind Resultat wie auch Symbol für den Widerstand von Individuen gegen Machteliten. Slogans, Vereinfachungen – neben Bildern und Icons sind es Parolen, die im Zentrum populistischer Argumentation stehen. Christian Falsnaes testet in seinen Performances den Gehorsam des Kollektivs, indem er konkrete Anweisungen gibt, denen das Publikum erstaunlich bereitwillig Folge leistet. Falsnaes‘ Performances sind soziale Experimente, die vor Augen führen, wie scheinbar einfach ein anfangs zögerliches Publikum durch die Anweisungen des Künstlers gruppendynamisch zu euphorischer Ausgelassenheit umschwenkt. Auch Lawrence Abu Hamdan untersucht in seinen Arbeiten die sprachliche Dimension von Politikführung. Sein Interesse gilt dabei der Art und Weise, wie die Stimme Wahrheit konstituiert und welcher Stellenwert der Lüge in der heutigen Gesellschaft zukommt. Seine Installation Contra Diction (Speech Against Itself) (2015) setzt sich mit der Taqiyya auseinander, dem schiitischen Gesetz, wonach bei Gefahr die eigene Religionszugehörigkeit verheimlicht werden kann – eine Form der Lüge also, die in diesem Kontext erlaubt ist. [Kunsthalle Wien, Ausstellungsdauer: 7. November 2015 bis 7. Februar 2016 – Foto: © Kunsthalle Wien
Künstler/innen: Basel Abbas und Ruanne Abou-Rahme, Lawrence Abu Hamdan, Saâdane Afif, Darren Bader, Keren Cytter, Simon Denny, Christian Falsnaes, Evgeny Granilshchikov, Flaka Haliti, Rosemary Heather, Calla Henkel und Max Pitegoff, Anna Jermolaewa, Johanna Kandl, Minouk Lim, Goshka Macuga, Jumana Manna, Mián Mián, Marcel Odenbach, Ahmet Ögüt, Trevor Paglen, Hito Steyerl, Erik Van Lieshout, Jun Yang- Kurator: Nicolaus Schafhausen
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