FIRMA GOLDSCHEIDER Wiener Keramik 1885–1938
Die MAK-Ausstellung FIRMA GOLDSCHEIDER. Wiener Keramik 1885–1938 würdigt eine der bedeutendsten Wiener Keramikmanufakturen. 80 Exponate geben Einblick in die bunte Produktpalette, die die renommierte Keramikproduktion einer breiten Klientel äußerst erfolgreich anbot. Die ausgewählten Prunkstücke der figuralen Keramik aus der MAK-Sammlung Glas und Keramik verdeutlichen, weshalb der Name Goldscheider, der zeitweise sogar synonym für „Wiener Fayencen“ verwendet wurde, noch heute viele Sammlerherzen höherschlagen lässt. Durch zwei bedeutende Schenkungen verfügt das MAK über einen umfassenden Bestand an Kunstkeramiken der Firma Goldscheider, deren Highlights nun erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Ausstellung spannt einen Bogen von den wohl bekanntesten Verkaufsschlagern – den mondänen Revuetänzerinnen-Figurinen des Art déco und den bunt glasierten Wandmasken der 1930er Jahre – bis zurück zu frühesten Erzeugnissen der Manufaktur. Viele der polychromen Keramikfiguren der Firma Goldscheider sind dem Historismus verpflichtet. Nachahmungen von Bronzen, nostalgische Reinterpretationen von Rokoko- oder Biedermeiermoden und nationale Typenporträts sowie Kopien von Renaissancebüsten sind charakteristisch für die Produktion bis zur Jahrhundertwende. Der Exotik des Orientalismus huldigende „OrientalInnen“ und „AraberInnen“ zählen ebenso zum Repertoire des Keramikproduzenten wie an Kitsch grenzende Tierfiguren, die den breiten Geschmack des Bürgertums trafen. Nach Anfängen in Pilsen und Karlsbad (heutiges Tschechien) konnte sich das 1885 von Friedrich Goldscheider in Wien gegründete Unternehmen auf den nationalen und internationalen Märkten etablieren. Zahlreiche Dependancen in Wien, Paris, Florenz und Leipzig sowie mehr als 10 000 verschiedene Keramikmodelle, die über drei Generationen hinweg produziert und international vertrieben wurden, versinnbildlichen den hohen Stellenwert, der der europaweit bekannten Marke zeit ihres Bestehens zukam. Obwohl das erfolgreiche Unternehmen um 1900 seriell produzierte und zeitweise Hunderte Angestellte beschäftigte, blieb es für die hohe Qualität seiner Glanzstücke bekannt. Das Augenmerk richtete sich durchwegs auf technische Innovationen und auf eine gefällige Motivwahl am Puls der Zeit.
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Nach dem Tod Friedrich Goldscheiders im Jahr 1897 lag die Leitung der Firma bei seiner Witwe Regine sowie ab 1918 bei den Söhnen Marcell und Walter Goldscheider. Die Zusammenarbeit mit BildhauerInnen und KeramikerInnen trug maßgeblich zum Erfolg des Betriebs bei. Viele der für Goldscheider tätigen KünstlerInnen – darunter Josef Lorenzl, Walter Bosse, Alexandre Louis-Marie Charpentier, Dina Kuhn, Michael Powolny, Arthur Strasser oder Vally Wieselthier – zählten zum Umfeld der Wiener Secession oder der Kunstgewerbeschule und sicherten das künsterlische Niveau. Als florierender Betrieb trat Goldscheider in Konkurrenz zur künstlerischen Keramik der Wiener Werkstätte und auch der „Wiener Keramik“ Michael Powolnys und Bertold Löfflers. Im Vergleich zu den experimentellen Keramiken der Wiener Werkstätte wirken die Keramiken der Firma Goldscheider in ihrer Expressivität gemildert, die „Kunstterracotten“ wurden allerdings in Ausstellungen des Österreichischen Werkbunds gleichberechtigt neben Keramiken der Wiener Werkstätte ausgestellt. Auch im Ausland kam es zu bedeutsamen künstlerischen Kooperationen: 1892 wurde eine Pariser Dependance gegründet und von Arthur Goldscheider zur florierenden Schwesterfirma La Stèle in Frankreich aufgebaut, für die viele namhafte KünstlerInnen tätig wurden.
Eine Zäsur in der Erfolgsgeschichte der Firma Goldscheider in Wien bedeutete die Arisierung des Unternehmens im Jahr 1938. Die Goldscheider-Brüder konnten in der Emigration in den USA und England neue Betriebe aufbauen, während in der arisierten Firma Goldscheider in Wien antikisierende Figuren nach dem Geschmack des NS-Körperkults gefertigt wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Walter Goldscheider nach Wien zurück, aus wirtschaftlichen Gründen war er jedoch in den 1950er Jahren gezwungen, die Lizenz für die Marke Goldscheider an die deutsche Firma Carstens zu verkaufen. Damit war das Ende dieses – im Jahr 1954 aus dem Wiener Handelsregister gelöschten – Familienbetriebs besiegelt. Heute sind die Keramiken der Firma Goldscheider wieder weltweit gesuchte Sammlerobjekte. Vor allem im Verlauf des letzten Jahrzehnts, nach der Publikation der Firmengeschichte und des Werkverzeichnisses von Robert Dechant und Filipp Goldscheider (2007 ) sowie nach der großen Ausstellung Breiter Geschmack. Goldscheider. Eine Weltmarke aus Wien (2007/08) im Wien Museum, ist das Interesse an Goldscheider-Keramiken in Sammlerkreisen merkbar gestiegen. [MAK, Ausstellungsdauer bis 11. Dezember 2016 – Foto: MAK]
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