Die bessere Hälfte – Jüdische Künstlerinnen bis 1938

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Wien um 1900 war auch eine Stadt der Frauen. Am Aufbruch in die Moderne waren viele Künstlerinnen beteiligt, die sich trotz der schlechten Rahmenbedingungen für Frauen im Kunstbetrieb durchsetzen konnten. Ein überdurchschnittlicher Anteil dieser Künstlerinnen kam aus assimilierten jüdischen Familien. Malerinnen wie Tina Blau, Broncia Koller-Pinell, Marie-Louise von Motesiczky oder die Keramikerinnen Vally Wieselthier und Susi Singer haben heute ihren Platz in der Kunstgeschichte. Doch viele andere sind – zu Unrecht – in Vergessenheit geraten, wie die Bildhauerin Teresa Feodorowna Ries, die Malerinnen Grete Wolf-Krakauer und Helene Taussig oder die Malerin und Graphikerin Lili Réthi. Die Ausstellung „Die bessere Hälfte“ stellt 44 Künstlerinnen vor und zeichnet deren außergewöhnliche Ausbildungs- und Karrierewege nach, die vom Kampf um Anerkennung in einer männlich dominierten Kunstszene erzählen, aber auch von vielversprechenden Karrieren, die durch Vertreibung und Exil unterbrochen oder in den Vernichtungslagern des Nationalsozialismus für immer beendet wurden. Eine Ausstellung mit vielen neuen Erkenntnissen und Wiederentdeckungen. Im vielbeschworenen Fin de Siècle, einer Hochblüte der Kunst und Kultur, war eine künstlerische Laufbahn für Frauen nahezu undenkbar. Als Salonièren oder Mäzeninnen waren – vor allem – Jüdinnen im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert sehr präsent, von einer offiziellen künstlerischen Ausbildung waren sie – wie überhaupt aus dem akademischen Leben – allerdings ausgeschlossen. Ein Besuch der Kunstakademien war erst ab 1920 möglich, daher besuchten viele die eigens für Frauen errichteten Kunstschulen. Besonders in jüdischen Familien, in denen seit jeher die Bildung der Töchter ein Anliegen war, wurde Mädchen Gelegenheit zu einer künstlerischen Ausbildung geboten – manche erhielten sogar teuren Privatunterricht bei einem Künstler, und später ein eigenes Atelier eingerichtet.

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Da die Künstlervereinigungen zur Jahrhundertwende keine Künstlerinnen akzeptierten, gründeten die Frauen eigene, wie die seit 1910 bis heute bestehende Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs (VBKÖ). Unterstützende Mitglieder fanden sich hierfür im Hochadel, aber auch unter den bekannten und einflussreichen jüdischen Familien Wiens (Bondi, Ephrussi, Gomperz, Gutmann, Rothschild, Schey, Wertheimstein u. a.). Alle diese Vereinigungen hatten zum Ziel, Standesvertretungen zu sein und durch die Organisation von Ausstellungen und anderen Veranstaltungen Ansehen und Einkommensmöglichkeiten ihrer Mitglieder zu verbessern. Tatsächlich stammte ein überproportionaler Teil der Wiener Künstlerinnen aus jüdischen Familien, darunter einige der bekanntesten und bedeutendsten Künstlerinnen der Epoche wie Tina Blau, Broncia Koller-Pinell oder Vally Wieselthier. Die meisten von ihnen kamen zwar mit einer vom galizischen Schtetl geprägten Familiengeschichte, aber aus einem bereits assimilierten Umfeld. Als eigenständige Künstlerinnen wurden selbst diese prominenten Vertreterinnen erst nach einiger Zeit wahrgenommen. Verallgemeinern lässt sich die breite Reihe an großartigen jüdischen Künstlerinnen jedenfalls definitiv nicht. Es ist eine sehr diverse Gruppe herausragender Frauen, deren künstlerische Ausdrucksform sich völlig unterschiedlich präsentiert und die Einzigartigkeit und Individualität der Persönlichkeiten hervorhebt.

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Tina Blau und Teresa Feodorowna Ries waren unter den ersten Frauen, die im Wien des späten 19. Jahrhunderts die Kunst zu ihrem Beruf erwählten. Die Landschaftsmalerin Tina Blau entwickelte in den 1860er- und frühen 1870er-Jahren als einzige Frau gemeinsam mit wenigen männlichen Kollegen die österreichische Variante der europaweit verbreiteten realistischen Stimmungslandschaft nach dem Vorbild der Schule von Barbizon – den Österreichischen Stimmungsimpressionismus. Die aus Russland stammende Bildhauerin Teresa Feodorowna Ries wiederum ließ sich durch die schlechten Rahmenbedingungen nicht entmutigen und schaffte es, sich einen Platz im zu dieser Zeit ausschließlich von Männern dominierten Feld der Bildhauerei zu erobern. In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg spielten Künstlerinnen eine bedeutende Rolle in der 1903 von Josef Hoffmann und Kolo Moser mit der finanziellen Unterstützung des jüdischen Industriellen und Mäzens Fritz Wärndorfer gegründeten Wiener Werkstätte, in der sich angewandte und bildende Künste gleichberechtigt vereinen sollten. Die bedeutendsten Vertreterinnen wie Vally Wieselthier, Susi Singer-Schinnerl und Kitty Rix waren jüdischer Herkunft. Vally Wieselthier stellte 1928 ihre Keramiken sogar auf der International Exhibition of Ceramic Art des Metropolitan Museums aus; Susi Singer und Kitty Rix, gingen in ihren Arbeiten weit über die traditionelle Gebrauchskeramik hinaus und schufen außergewöhnliche Skulpturen. [Jüdisches Museum Wien, Ausstellungsdauer bis – Foto: © Jüdisches Museum Wien]

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