BÖSENDORFER, die Geschichte einer Klangwelle

Ignaz Bösendorfer und sein Sohn Ludwig Bösendorfer

Musikalischer Tüftler und geschickter Entrepreneur. Mit nur 24 Jahren übernimmt Ludwig Bösendorfer den Betrieb seines Vaters und soll schon bald Europa mit dem Wiener Klang Bösendorfers erobern.

Ignaz Bösendorfer
, 1794 als Sohn eines Tischlermeisters in Wien geboren, verbringt seine Lehrjahre bei der Firma des damals sehr bekannten Klavierbauers Joseph Brodmann (1763-1848). Hier lernt er rasch und erhält bereits 1815 von der Wiener Akademie der Bildenden Künste den ersten Preis für Ornamentalzeichnung. Zur gleichen Zeit sind in Wien die großen Klavierbauer Nanette und Johann Andreas Streicher, Johann Schantz, Anton Walter, Conrad Graf und Michael Schweighofer tätig, große Mitbewerber von Joseph Brodmann. Bösendorfer beschließt mit einem Startkapital von 500 Gulden selbstständig als Klavierbauer tätig zu werden und übernimmt den Betrieb von Joseph Brodmann. Die Kaiserstadt Wien gilt als eine Metropole der Kultur und Musik und ist somit auch Zentrum des europäischen Klavierbaus. Es verwundert nicht, dass zu Zeiten der beginnenden Selbstständigkeit Bösendorfers 387 Personen in Wien im Klavierbau beschäftigt sind. Klaviere sind zur Biedermeierzeit besonders als Hausmusikinstrumente gefragt und dienen der heiteren Unterhaltung der nobel bürgerlichen Gesellschaft. Von anfänglich vier Instrumenten im Jahr steigert Bösendorfer bis etwa 1835 die Produktion bereits auf 200 Stück. Das nachweislich älteste Instrument aus dieser Anfangszeit ist Opus Nummer 4, ein Tafelklavier, das sich heute in der Sammlung Alter Musikinstrumente im Kunsthistorischen Museum Wien in der Hofburg befindet. 1839 ist ein großes Jahr für die junge Klavierfabrik: die Bösendorfer Instrumente erhalten die Goldmedaille der Industrieausstellung in Wien. Ignaz selbst wird per Dekret Kaiser Ferdinands dem I. „k.k. Hofklavierverfertiger“, ein Titel, der vorher noch keinem österreichischen Klavierbauer zuteilwurde.


1838, Wien: Es ist bekannt, dass nicht jedes Tasteninstrument das virtuose Spiel des jungen Pianisten und Komponisten Franz Liszt unbeschadet übersteht. Nicht so der Bösendorfer: Dank der stabilen und qualitativ hochwertigen Bauweise brilliert der Bösendorfer Flügel im Konzert des ungarischen Künstlers. Daraus entwickelt sich eine tiefe Freundschaft zwischen Liszt und Bösendorfer.

Dieser Titel fördert das Geschäft: die Exporte steigern sich, Länder wie Deutschland, England, Italien, Russland, Brasilien und Ägypten sind Abnehmer des immer bekannter werdenden Bösendorfers. Die Gesamtzahl der erzeugten Instrumente wächst bis Ende 1850 auf mehr als 3000. 1842 gelingt Ignaz Bösendorfer auch der Durchbruch auf dem Konzertpodium: Anton Rubinstein spielt anlässlich einer Konzertreihe im alten Musikvereinssaal in den Wiener Tuchlauben sein erstes Konzert auf einem Stein Flügel, der aber in der Presse schlechte Kritiken erhält. Er wechselt auf ein Bösendorfer Instrument, das in den Zeitungen höchstes Lob ob seiner „Gleichmäßigkeit der Tonqualität und kräftigen Bass“ erringt. 1845 bekommt Bösendorfer die zweite Goldmedaille bei der Wiener Industrieausstellung. Der Export wird weiter verstärkt und Ignaz unternimmt seine ersten Geschäftsreisen. Neben der niedrigen Preisgestaltung der Wiener Klavierbauer im Verhältnis zu den ausländischen Firmen wie Erard, Pleyel oder Pape, etabliert sich bereits die Sitte in den Ausstellungssalons der Klavierfabriken Konzerte zu veranstalten, eine Initiative um den Bekanntheitsgrad der Marke rasch zu erhöhen. 1853 wird Ignaz Bösendorfer in den Vorstand der Akademie der Tonkunst in Wien gewählt, 1857 beginnt er mit dem Neubau seiner Klavierfabrik nach neuesten industriellen Gesichtspunkten in Wien Alsergrund und 1858 erneuert Kaiser Franz Joseph den Titel des „k.k. Hof-Kammer-Pianoforte-Verfertigers“. Doch Ignaz erlebt die Einweihung der neuen Fabrik nicht mehr. Er stirbt 1859 und hinterlässt ein beachtliches Vermögen von mehr als 145.000 Gulden.

Ludwig Bösendorfer präsentiert seinen Flügel dem k.u.k. Monarchen
Majestät Kaiser Franz Joseph I.

Ludwig Bösendorfer, am 10. April 1835 als ältester Sohn geboren, ausgebildet nicht nur im väterlichen Betrieb, sondern auch in der kommerziellen und technischen Abteilung des k.u.k. Polytechnischen Institutes, übernimmt 1859 die österreichische Klaviermanufaktur. 1860 findet der Umzug in die neue Werkstätte statt. Im neuen Gebäude entsteht auch ein Konzertsaal für 200 Personen. Im gleichen Jahr erhält Bösendorfer ein Patent für eine von ihm erfundene Klaviermechanik. 1862 stellt Bösendorfer seinen „Patentflügel“ in London aus und erhält prompt eine Auszeichnung. 1867 gelingt ihm bei der Weltausstellung in Paris, allein schon aufgrund der prachtvollen äußeren Gestaltung seiner Flügel, ein großer Erfolg. Kaiserin Elisabeth, selbst Besitzerin eines eigens für sie entworfenen Flügels im „Ringstraßenstil“, schenkt Kaiserin Eugenie einen von Theophil Hansen designten Flügel. Dieses Instrument wird 1978 bei Sotheby’s für den sagenhaften Preis von DM 400.000 versteigert. Kurz, die Pariser Weltausstellung bringt Bösendorfer Weltruf ein. Die „Wiener Morgenpost“ schreibt im September 1867: „Bösendorfers Ruf, bisher ein europäischer, ist nun zum Weltruf geworden, denn selbst die Amerikaner (…) blicken mit Neid auf die Wiener Flügel Bösendorfers, deren Kraft eine siegreichere ist: die der Anmuth.“ Bösendorfer expandiert weiter und baut wertvolle Geschäftsbeziehung zu Hongkong, Rio, Stockholm und Japan auf. Doch auch in Österreich investiert Bösendorfer in Musik und Kultur: 1869 schenkt er der Gesellschaft der Musikfreun-de in Wien 14 Flügel für ihr neues Haus mit dem Goldenen Saal am Karlsplatz. Das bringt ihm prompt die Direktions- und Ehrenmitglied-schaft dieser kulturellen Institution ein. Die alte Produktionsstätte wird abermals zu klein und 1870 zieht die Klavierfabrik erneut um: im Gebäude Graf Starhemberggasse 14 auf der Wieden findet Bösendorfer einen geeigneten Platz zum Bau seiner Flügel. Die damaligen Verkaufsräume befinden sich allerdings in der Herrengasse 6, im alten Palais Liechtenstein. In diesem Palais wohnt Bösendorfer auch selbst.

 

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Dieser Bösendorfer Saal stellt neben dem Musikverein bis zum Abbruch des Palais Liechtenstein 1913 den besten Konzertsaal für Kammermusik dar, den Wien zu bieten hat. Die Liste der Namen der Künstler, die dort auftreten, ist das Who Is Who der Konzertwelt um die Jahrhundertwende: Hans von Bülow, Liszts Schwiegersohn, eröffnet den Saal am 19. November 1872. Es folgen in den nächsten 40 Jahren Klavierabende, Kammermusik- und Liederabende von Wilhelm Backhaus, Ferruccio Busoni, Eugen d’Albert gibt dort 1886 sein Wien Debut, Wilhelm Kienzl, Fritz Kreisler, Theodor Leschitizky, Franz Liszt, Gustav Mahler, Sophie Menter, Ignaz Paderewski (ein ständiger Gast im Bösendorfer Saal), Max Reger, Anton Rubinstein, Pablo Sarasate, Emil Sauer, Arthur Schnabel, Richard Strauss, Ernst von Dohnanyi und Hugo Wolf. Diese Künstler tragen maßgeblich zum Erfolg der Wiener Klaviermanufaktur bei. Die Bösendorfer Klangwelle breitet sich aus. Ludwig entwickelt eine rege Reisetätigkeit, bei der er viele Künstler nicht nur persönlich begleitet, sondern ihnen auch seine Klaviere in fast alle großen Konzertsälen Europas zur Verfügung stellt. Daraus entstehen lebenslange Freundschaften. Bösendorfer wird in Künstlerkreisen als großer Wohltäter und Kulturförderer bekannt. Sein Briefwechsel mit Franz Liszt ist berühmt, Brahms zählt zu seinen Freunden, Anton Bruckner und Johann Strauss bekommen regelmäßig Sonderkonditionen beim Klavierkauf. Es existiert noch jene Herz-As-Karte, auf der die Skatspieler Franz Liszt und Anton Rubinstein dem erkrankten Bösendorfer von einer Konzertreise Grüße senden. Bei der Wiener Weltausstellung 1873 wird Bösendorfer die Ehre des Besuches Kaiser Franz Josephs zuteil. Mit einer Jahresproduktion von 288 Instrumenten erreicht das Unternehmen für damalige Verhältnisse eine Spitzenposition im Klaviermarkt. Bösendorfer Flügel gehen mittlerweile in alle Welt und die Wirtschaftskrise von 1873 kann nur kurzfristig den Aufstieg hemmen. Bereits 1882 steht Bösendorfer unangefochten an der Spitze aller Klavierbauer der Monarchie. Im Jahr 1883 verlässt der 10.000te Bösendorfer die Manufaktur. Zu den geschätzten Kunden dieser Zeit zählen: Kaiserin Elisabeth, Fürstin Pauline Metternich, die Erzherzoginnen Stephanie und Valerie, Katharina Schratt, Erzherzog Eugen, Russlands Zar Nikolaus II. und der japanische Tenno. In steter Sorge um die Qualität seiner Flügel verbessert Bösendorfer in Zusammenarbeit mit seinen Fabriksdirektoren Franz Berger und dessen Sohn Carl Georg die Mechanik und reicht diverse Patente für das von ihm erfundene „Wiener System“ ein. Auf Anregung des Komponisten Ferruccio Busoni baut er um 1900 einen Konzertflügel mit vollen acht Oktaven Tonumfang und einer Länge von 2.90m. Dieser Konzertflügel 290 – auch Imperial genannt – ist bis heute ein klangliches Juwel des Unternehmens. Der enorme Tonumfang dieses Instrumentes veranlasst Komponisten wie Busoni, Dohnanyi und Bartok Stücke zu komponieren, die nur auf dem Imperial werksgetreu aufgeführt werden können. So gelingt es Ludwig Bösendorfer, dass aus einem Familiennamen ein Indiz für hochwertigste Qualität und absolute Hingabe zur Musik wird: die Marke, die bis heute ein Synonym für die Wiener Klavierbaukunst ist. Hochbetagt, kinderlos, „allein auf der Welt“, wie er zu sagen pflegte – er war zweimal verheiratet und überlebt beide Ehefrauen – sieht sich Bösendorfer nach einem Käufer für seine Klavierfabrik um. Er findet diesen in seinem alten Freund und Bankier Carl Hutterstrasser, der im März 1909 das Unternehmen übernimmt. Er bittet Bösendorfer, weiterhin seinen „Rat und wertvolle Unterstützung angedeihen zu lassen“. Auch behält Bösendorfer den Saal in der Herrengasse, der bis 1913 besteht. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges, die Demolierung seines Saales und das fortgeschrittene Alter, veranlassen Bösendorfer 1914 sein Testament zu schreiben. Neben großzügigen Spenden an Künstler, Institutionen und sein Personal, vermacht er seinen gesamten Nachlass der Gesellschaft der Musikfreunde. Er bestimmt, ohne großen Aufwand auf einem Klavierwagen zum Zentralfriedhof gefahren zu werden und seinen Tod bis zu seinem Begräbnis geheim zu halten. Am 9. Mai 1919 stirbt der Klaviermeister Ludwig Bösendorfer. Wie von ihm gewünscht, wird er in aller Stille beigesetzt. Auf seinem Grabstein stehen nur der Name Ludwig Bösendorfer und seine Jahreszahlen 1835 – 1919. Später erhält Bösendorfer ein Ehrengrab der Stadt Wien, das streng genommen seinem letzten Wunsch nicht mehr Rechnung trägt.(Foto: Bösendorfer)

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