Babette Mangolte. I = Eye
Babette Mangolte ist eine ikonische Figur des internationalen Experimentalfilms. Ab Dezember präsentiert sie in der Kunsthalle Wien ihre erste Einzelausstellung in Österreich. Mangoltes Interesse galt zunächst der Performance und dabei insbesondere der Dokumentation der Kunst-, Tanz- und Theaterszene der 1970er Jahre. Ab Ende der 1970er Jahre konzentrierte sie sich auf das urbane Feld und die ausgedehnten Landschaften der Westküste der USA. I = Eye zeigt zahlreiche Film- und Fotoarbeiten von Mangolte, darunter auch jüngst entstandene Projekte, die einen neuen Blick auf die mediale Transkription und Historisierung der Performancekunst werfen. Sie alle verbindet eine einzigartige visuelle Form, die Einflüsse des Stummfilms, des amerikanischen Experimentalfilms und der feministischen Filmtheorie aufgreift und daraus einen singulären Stil entwickelt. In Anlehnung an Mangoltes elementares Interesse an der Inszenierung der subjektiven Kamera ist die Ausstellung in der Kunsthalle Wien experimentell angelegt und macht sich Raum und Zeit als Medien zu eigen. Den Mittelpunkt der Mise-en-scéne von I = Eye bilden Filmsequenzen, die von akustischen Interventionen unterbrochen, auf vier separate Leinwände projiziert werden. So entsteht eine immersive Installation als cineastisches wie choreographisches Erlebnis. I = Eye vermittelt Mangoltes Beschäftigung mit der Wahrnehmung von Performance und der Auseinandersetzung mit deren medialer Spezifizität, sowie die Art und Weise, wie sich das Ich der Performer/innen auf der Bühne in die ihrerseits subjektive Kamerasicht einschreibt. Die Ausstellung spannt einen großen Bogen, angefangen bei Werken, die sich dem frühen Kino und dem Experimentalfilm widmen, bis hin zu Dokumentar-fotografien
der Theater-, Tanz- und Performanceszene im New York der 1970er Jahre. Darüber hinaus werden zwei überarbeitete historische ortsspezifische Installationen, sowie aktuelle Projekte gezeigt. Dreizehn Filme, sowie Standbilder aus diesen Werken vermitteln einen breit angelegten Einblick in Babette Mangoltes filmische Praxis. Ihre Experimentalfilme brechen mit Sehgewohnheiten und untergraben die aus dem klassischen Kino bekannte Identifikation mit den Schauspielern. Diese Herangehensweise wird besonders deutlich in The Camera: Je or La Camera: I, einem ihrer ersten Filme. Der fotografische Blick wird hier auf die Menschen und auf New York – die Stadt in der Mangolte lebt – filmisch übertragen. Die verwendete subjektive Kamera vermittelt einen konkreten Eindruck von der Beziehung zwischen der Person hinter der Kamera und ihrem Motiv, also zwischen Filmerin und Gefilmtem. In ihren Installationen entwickelt Mangolte anhand spezieller Präsentationsformen neue Möglichkeiten „der Betrachtung dessen, was Betrachten heißt“. In der Kunsthalle Wien zeigt sie auch eine neue Version der Installation Touching mit einer Auswahl von Bildern aus ihrem Archiv historischer Theater- und Performancefotografien. Diese interaktive Arbeit lädt dazu ein, die Ausdrucke auf dem Tisch zu berühren und umzuordnen, ein Bild in verschiedenen Größen zu vergleichen und es auf den Kontaktabzügen zu betrachten. Weiters zeigt die Ausstellung die bahnbrechenden Fotos, die die Künstlerin 1973 von Trisha Browns Performancestück Roof Piece gemacht hat, sowie einige aus historischen Fotografien zusammengesetzte Diptychen, die Mangoltes Interesse an einer Neubewertung der Geschichte und einer Hinterfragung der Zeit belegen. Babette Mangolte (US-Amerikanerin, *1941 in Frankreich) entdeckte 1960 mit der Nouvelle Vague das Kino für sich. 1964 wurde sie als erste Frau in die von Louis Lumière gegründete „École Nationale de la Photographie et de la Cinématographie“ aufgenommen. Ihr Interesse an experimentellen Werken führt sie 1970 auf eine Reise in die USA und in die New Yorker Filmszene, wo sie mit Tanz, Performance und Theater vertraut und Teil der vitalen Kunstszene wurde.
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Auf die Frage, welche Filme den größten Einfluss auf sie hatten, nennt sie Dziga Vertovs Der Mann mit der Kamera (1929) und Michael Snows Wavelength (1967): „Diese beiden Filme haben buchstäblich mein Leben verändert. Wegen des ersten wollte ich Kamerafrau werden, und der Wunsch, den zweiten zu sehen, führte mich nach New York, wo ich mich niederließ und später meine Filme machte.“ Babette Mangolte war die Kamerafrau für Chantal Akermans Jeanne Dielman (1975) und News From Home (1976), wie auch für Yvonne Rainers Lives of Performers (1972) und Film about a Woman who… (1973). Über ihre Zusammenarbeit mit Chantal Akerman sagt Mangolte: „In den 70ern Feministin zu sein bedeutete nicht ‚Wir sind Frauen! Wir sind hier!‘ zu rufen. Vielmehr ging es uns darum zu zeigen, dass die Perspektive der Frau sich von der des Mannes unterscheidet. Als Frauen wollten wir andere Geschichten schreiben als die, die die jungen Männer unserer Generation interessierten, wie zum Beispiel die Nouvelle Vague Filmemacher, die Buddy-Filme und Krimis der Hollywood-Ära vor einer Pariser Kulisse nacherzählten.“ 1975 vollendet Mangolte ihren ersten Film What Maisie Knew, der im selben Jahr beim Toulon Filmfestival mit dem „Prix de la Lumière“ ausgezeichnet wurde. Danach entstanden weitere wichtige Filme wie The Camera: Je or La Camera: I (1977), The Cold Eye (1980), The Sky on Location (1982), Visible Cities (1991) und Four Pieces by Morris (1993). Einer ihrer jüngsten Filme ist Seven Easy Pieces (2007), eine Dokumentation über Marina Abramovićs Neuinszenierung bedeutender Werke aus den 1970er Jahren im New Yorker Guggenheim Museum. Über ihr künstlerisches Werk hinaus ist Babette Mangolte als renommierte Essayistin bekannt. Sie veröffentlichte zahlreiche Texte, die ihre fotografische Praxis der Dokumentation von Performances analysieren. [Kunsthalle Wie. Ausstellungsdauer bis 12. Februar 2017]
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