Art brut Japan – Schweiz
Über 150 Werke umfasst die imposante Schau, die Monika Jagfeld, Direktorin des Museum im Lagerhaus in St. Gallen konzipiert und im Museum Gugging präsentiert. Johann Feilacher, Kurator des Museum Gugging, legt den Schwerpunkt der Ausstellung auf japanische Positionen um dem heimischen Publikum neue Entdeckungen aus Fernost zu ermöglichen. Erstmals wird es eine Gegenüberstellung von Schweizer und japanischer Art Brut geben. Zu sehen sind zahlreiche künstlerische Werke, die von unterschiedlichen kulturellen Einflüssen geprägt sind. Und dennoch weisen manche Werke, obwohl sie unabhängig und tausende Kilometer voneinander entstanden, erstaunliche inhaltliche Gemeinsamkeiten auf. Aus der Konfrontation von Verschiedenem und Ähnlichem entsteht ein offener Diskurs, der die internationale Art Brut neu verortet.
Art Brut in Japan Anders als in Europa, wo sich das Interesse für Art Brut aus der künstlerischen Avantgarde Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte, ist in Japan die Förderung von Art Brut aus dem Sozial-und Gesundheits-wesen entstanden. Mit dem Aufbau des Sozialfürsorgesystems ab 1946 änderte sich die Wahrnehmung von Menschen mit psychischer Beeinträchtigung, die bis dahin stark diskriminiert waren. Im Jahr 2004 wurde das Borderless Art Museum NO-MA in der Präfektur Shiga gegründet. Durch die Arbeit dieses Museums kommt der Art Brut in Japan heute eine besondere Aufmerksamkeit zu. Erst seit wenigen Jahren ist japanische Art Brut in Europa zu sehen, sie wurde aber in erstaunlicher Geschwindig-keit in internationalen Fachkreisen bekannt. Mit der aufsehenerregenden Präsentation von Shinichi Sawadas (*1987) Arbeitenauf der Biennale in Venedig 2013 und der prominenten Veröffent-lichung seiner Arbeit im Kunstmagazin „Art“ hat die japanische Art Brut ein breiteres Publikum erfasst. Sawadas faszinierende Keramikarbeiten –Götter, Dämonen, Ungeheuer– lassen sich in die jahrtausendealte Tradition der Shigaraki Brennöfen und ihre historische Keramikproduktion einordnen. Der Künstler nimmt damit nicht nur eine zentrale Rolle innerhalb der Art Brut ein, sondern auch einen wichtigen Platz in der japanischen Kunstgeschichte. NorimitsuKokubo(*1985) integriert in seine zeichnerische Tätigkeit all das, was seine Neugier erweckt –so kartografiert er Erde und Himmel mit seinen Karten. Kokubo sammelt sein Bildmaterial im Internet, im Fernsehen oder in Reise-katalogen. Aus diesem Rohmaterial kombiniert und zeichnet er nach Belieben neue Szenen und Geschichten. Zu sehen sind zudem Werke von KünstlerInnen wie Sakiko Kono(*1945) mit ihrer Puppen-Parallelwelt, die ihr Wohnheim abbildet. In dieser künstlerisch imag-inierten Gesellschaft leben alle Menschen frei, bereisen zusammen die Welt und gründen fiktionale Länder. Juichi Saitos (*1983) feinstrichige Bleistiftarbeiten haben ihren Ursprung in der Kalligrafie, als Kalligrafen im klassischen Sinne kann man ihn allerdings nicht bezeichnen. Er wählt Zeichen aus zuvor gesehenen Fernsehtiteln und überschreibt sie unentwegt, bis sich luftig verwehte Wolkenformationen bilden –Lesbarkeit ist für den Künstler nachrangig. „Art Brut Japonais“ zeigt sich als Kaleidoskop unterschiedlicher künstlerischer Facetten, die zwischen hermetischen subjektiven Weltentwürfen und Einflüssen japanischer Traditionen changieren und uns nicht nur Charakteristisches der Art Brut, sondern eine ausgesprochene Schönheit vermitteln. DOWNLOAD ARTIKEL ALS ‚PDF.file‘
Nahwest – Die Schweizer Beiträge
Große Namen aber auch unbekannte Positionen sind auf der Schweizer Seite von art brut: japan Schweiz wieder zu entdecken Aloïse Corbaz(1886–1964)eine der international bedeutendsten VertreterInnen der Art Brut, ist mit wichtigen Arbeiten vertreten. Historische Liebespaare sind Corbaz‘ Hauptthema, doch stehen die Frauen immer im Zentrum. Selbstbewusst präsentieren sie ihren sinnlichen Körper und strahlen eine ungewöhnlich kühle Erotik aus, die durch die bestechend blauen Augenflächen verstärkt werden. Diese Augen erlauben es nach außen zu schauen, verwehren aber, so die Künstlerin zu ihren Arbeiten, den Blick in ihr Inneres. Madonnen waren seit den 1960er Jahren Hans Schärers (1927–1997) großes Thema –eine davon wird in Gugging zu sehen sein. Schärers Madonnen sind stelenartige, vereinfachte, halslose Frauenfiguren mit unheimlichem Stirn-oder Brustauge und bedrohlich bezahntem Mund, umgesetzt in einem groben Farb-auftrag mit eingearbeiteten Materialien wie Steine, Wachs oder Textilien. Sie sind archaische Göttinen und Monstermadonnen zugleich. Daneben finden sich eine Reihe bemerkenswerter KünstlerInnen wie Alfred Leuzinger(1899–1977) –ebenfalls einer der großen Namen in der Welt der Art Brut, Anna Kahmann(1905–1995) mit ihren schillernden Güggel (Gockel) oder Josef Wyler(1965), der mit seinen comicartigen Zeichnungen fantastische Welten erschafft. Schon bei diesem kursorischen Rundblick zeigt sich deutlich: Götter, Dämonen, Monster aber auch Flugobjekte, Fahrzeuge und die Erschaffung ganzer Welten verbindet die Art Brut in Ost und West. [Mmuseum Gugging, KuratorInnen:Monika Jagfeld (Museum im Lagerhaus, St. Gallen), Johann Feilacher (Museum Gugging). 10. September 2015- 22. Mai 2016 – Foto: © Museum Gugging] DOWNLOAD ARTIKEL ALS ‚PDF.file‘
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