DEUTSCHE KUNST NACH 1960
Die groß angelegte Schau „DEUTSCHE KUNST NACH 1960“ präsentiert Essl Museum mit über 80 Arbeiten von 21 Künstlern ausgewählte Sammlungswerke von 1960 bis heute. Die Bandbreite reicht von den damals jungen, heute großen (west-)deutschen Altmeistern wie Georg Baselitz und Markus Lüpertz, Dieter Roth und Anselm Kiefer über die jüngeren Generationen um Jonathan Meese und Daniel Richter bis zur Postmoderne bei Anselm Reyle und Tobias Rehberger. Georg Baselitz und Markus Lüpertz, zwei wesentliche deutsche Malereipositionen, stehen sich im ersten Ausstellungsraum dialogisch gegenüber. Beide Künstler verbindet die zentrale Fragestellung, was Malerei sein kann. Der Bildgegenstand ist Anlass zur Malerei, erzählt aber selbst keine Geschichte, viel eher werden traditionelle Themen aufgenommen und neu interpretiert. Georg Baselitz kehrt sein Motiv auf der Leinwand um, Markus Lüpertz wiederholt das immer gleiche Motiv seriell, beide Strategien dienen der Zurücknahme von Bedeutung zu Gunsten von Malerei.Der politischste Raum der Ausstellung ist einer Künstlerfreundschaft über die Ost-West-Grenze hinweg gewidmet – Jörg Immendorff und A.R. Penck. Auch wenn sie auf den ersten Blick zu sehr unter-schiedlichen Ausdrucksformen greifen, wollen beide mit ihrer Malerei dezidiert gesellschafts-politisch Stellung beziehen. Gemeinsam ist ihnen auch, dass sie in ihrem Bemühen, durch Malerei die Gesellschaft zu verändern, scheitern. Für einen von beiden, den „Westdeutschen“ Immendorff, wird durch die Freundschaft mit A.R.Penck die Teilung Deutschlands immer wieder Motiv seiner Kunst, so zeigt das Werk Ostjörg bereits 1980 die Vision des Mauerfalls. So wie Penck ist auch der viel jüngere Neo Rauch in der DDR aufgewachsen. Er leiht sich Paraphrasen aus der deutschen Geschichte, insbesondere der Romantik, und verwendet diese allegorisch in seinen Bildern, fügt sie aber nicht zu einer linearen Erzählung zusammen. Wiedervereinigung, heute ist er weltbekannt und besonders in den USA gilt er als einer der wichtigsten lebenden Künstler Deutschlands. Das Bild ist Bühne für seine mit Pathos aufgeladenen Protagonisten, die nur scheinbar tiefere Bedeutung aufweisen, ganz im Gegenteil verwehren sie jegliche gesellschaftspolitische Aussagen. Rauchs Karriere begann nach der Wiedervereinigung, heute ist er weltbekannt und besonders in den USA gilt er als einer der wichtigsten lebenden Künstler Deutschlands. Eine ganz andere Art des „Sampelns“ betreibt Albert Oehlen, der alles Mögliche für seine Malerei verwendet. Egal ob Hoch- oder Subkultur verwendet er zeitgleich verschiedene Motive und Stile in seiner collageartigen Malerei, deutsche Geschichte hat für ihn keine spezielle Relevanz. Bekannt wurde Oehlen in den 1980ern als ein Hauptvertreter der Jungen Wilden, damals arbeitete er mit Kippenberger, später auch mit Jonathan Meese zusammen. Nur mehr Fragmente einer Geschichte erzählt Tim Eitel in seinen beinahe monochromen Werken. Im Arbeitsprozess, der oft mit einer Fotovorlage beginnt, geht es ihm um die Nur mehr Fragmente einer Geschichte erzählt Tim Eitel in seinen beinahe monochromen Werken. Im Arbeitsprozess, der oft mit einer Fotovorlage beginnt, geht es ihm um die Konzentration auf das Wesentliche. Alltägliches als Motiv wird mehr und mehr reduziert und verdichtet, Unwesentliches weggelassen, die Farbpalette auf Grautöne eingeschränkt – so bekommt das Bild etwas Allgemeingültiges und das Banale des Alltags wird auratisch aufgeladen. Eine Sonderposition nimmt Dieter Roths Kunst in der Rotunde der Ausstellungshalle ein. Alles, was der Künstler sammelt, wird zu Kunst – Gegenstände, Lebensmittel, Material, Musik – das Gewebe wächst in den Raum und kann ihn damit komplett überwuchern. Auch Vergängliches wie Schokolade oder Schimmel zählen zu seinen Materialien. Die Ausstellung zeigt auch vier Positionen abstrakter Malerei, wobei Hartwig Ebersbach als einziger gestischer Maler der ehemaligen DDR gilt. Die Ausstellung zeigt auch vier Positionen abstrakter Malerei, wobei Hartwig Ebersbach als einziger gestischer Maler der ehemaligen DDR gilt. Sein Einzelgängertum hat damit zu tun, dass die Kunstdoktrin in der DDR der gestischen Malerei diametral entgegengesetzt war. Der Künstler entäußert sich in der Bewegung vor der Leinwand in expressiv-dicken Farbauftrag oder verwendet als Motiv die Figur des Kasper, ein volkstümliches Symbol für Narrenfreiheit. Als Gegenpol zur emotionalen Aufladung bei Ebersbach, baut Gerhard Richter seine Arbeiten rein analytisch auf, lotet die grundlegenden Kompositionsschemata von Gestik und Abstraktion aus. Er gilt als der Forscher in der Malerei, der sich aller Stile und Möglichkeiten in vielfältiger Weise bedient, und so kann man ihm keine typische malerische Handschrift zuschreiben. Inhaltlich entzieht auch er sich jeder Form der Erzählung. Als nächstes treten die abstrakt geometrischen Arbeiten von Günter Förg und Imi Knoebel in einen Dialog: Farbstrukturen bestimmen die Ordnung der Komposition, beide Künstler wollen konsequent handschriftlos bleiben. Förg steht in der formalen Tradition der Architektur der Moderne (1920/30er Jahre) und ihrer Harmonie- und Proportionslehre, setzte sich mit dem Bauhaus ebenso wie mit der Architektur des faschistischen Italiens und der jungen Sowjetunion auseinander. Knoebel arbeitet ähnlich reduziert, geht aber mehr auch ins Objekthafte, ihn interessiert die Farbflächenmalerei, die auch in den Raum geht. Die Ausstellung bildet einen Parcours durch das deutsche Kunstschaffen in Dialogen und Einzelpräsentationen von Künstlern. [Ausstellungsdauer: 24. Juni bis 15. November 2015 – Foto: © Essl Museum]
DAS KUNSTMAGAZIN
|