Was ist Kunst?

‚…es geht gar nicht um Bewertung, sondern darum, ob und was das Kunstwerk für mich bedeutet.‘
(Ein Kommentar von Otto Hans Ressler)

Ein Kunstwerk kann ein Bild sein oder eine Skulptur, aber ebenso ein Autowrack, eine Ansammlung von Steinen, eine halbverkohlte Geige, eine schmutzige Badewanne oder eine auf einen Zettel gekritzelte Notiz. Es gibt keine allgemein gültige Definition für Kunst. Gäbe es eine, würde wohl schon am nächsten Tag ein Künstler darangehen und etwas machen, das diese Definition ad absurdum führt. Das bedeutet freilich nicht, dass Kunst pure Subjektivität und jeder Deu-tungsversuch von Anfang an zum Scheitern verurteilt wäre. Vor allem kann man für sich selbst durchaus Qualitätskriterien finden. Und da wir soziale Lebewesen sind, ließen sich im Meinungsaustausch mit anderen, an Kunst interessierten Menschen fraglos überein-stimmende Überzeugungen finden. Das passiert auch permanent. Im Grunde ist der Kunstmarkt nichts anderes als ein Ort des ständigen Austauschs von Argumenten und Einschätzungen. Wenn ich von Kunst spreche, meine ich bildende Kunst – also die Ergebnisse einer Tätigkeit, die aus einem kreativen Prozess entstehen und nicht eindeutig durch Funktionen festgelegt sind. Ich meine Bilder, Plastiken, Installationen, Fotos, Filme, Grafiken; also ganz konkrete Objekte. Ich meine nicht die Kochkunst, nicht die Baukunst, nicht die Liebeskunst und was es da sonst noch an Künsten gibt. Und ich meine auch nicht das Kunstgewerbe. Im 20. Jahrhundert wurde mit der Entwicklung neuer Medien der Kunstbegriff sehr viel weiter gefasst als zuvor. Das bis dahin vor allem visuell und haptisch erfahrbare Kunstwerk konnte nun zur reinen Idee werden oder existierte überhaupt nur als Handlungsanweisung. Auch diese Kunst meine ich nicht. Ich habe mir überlegt, was denn nun die – für mich – gültigen, essentiellen Eigenschaften eines Kunstwerks sind. An die Spitze meiner Anforder-ungsliste an die Kunst möchte ich einen Begriff stellen, den viele Kunstinsider meiden, als würde es sich um etwas Anstößiges, um etwas Peinliches handeln: Schönheit. Schönheit, meinen sie, stehe für Kitsch, nicht für Kunst. Adorno hat hier ganze Überzeugungsarbeit geleistet. Aber für mich ist die ästhetische Qualität eines Kunstwerks ganz ent-scheidend. Schönheit – und damit meine ich nicht das oberflächlich Schöne (das sehr wohl fragwürdig sein kann), nicht das Schöne der Farben und Formen allein, sondern das Schöne, bei dem man spürt, dass es uns betrifft, unser Leben, unsere Hoffnungen und Ängste, unsere Leidenschaften und unsere Urteilskraft. Das Schöne, das neue Erkenntnisse bringt, neue Erfahr-ungen, neue Empfindungen. Schönheit ist eine Grundbedingung der Kunst. Fehlt sie einem Werk, handelt es sich in meinen Augen gar nicht um Kunst. Ich finde es nicht zuletzt deshalb so schade, dass die ästhetische Qualität aus dem Diskurs über Kunst ausgeklammert wird, weil sich darüber wunderbar streiten ließe. Denn was schön ist, darüber gab es zu allen Zeiten und in allen Weltgegenden sehr unterschiedliche Vorstellungen. Von ganz wesentlicher Bedeutung ist für mich auch, dass ein Kunstwerk authentisch ist.

Darunter verstehe ich nicht nur, dass es echt sein muss, also von dem Künstler geschaffen, dem es zugeordnet wird. Ich verstehe darunter die unverwechselbare Handschrift des Künstlers. Auf Authentizität fußt letzten Endes das Vertrauen aller Beteiligten am Kunstmarkt und ist damit die Voraussetzung für sein Funktionieren. Der Künstler muss etwas Neues, Unverwechselbares, Einmaliges schaffen. Er muss an sich glauben (anders steht er die zumeist in Jahrzehnten zu messende Durststrecke, bis er Anerkennung findet, gar nicht durch). Der Galerist wieder muss an den Künstler glauben (und diese Überzeugung vermitteln können, sonst überlebt auch er nicht). Denn der Sammler kauft letztlich im Vertrauen auf die Glaubwürdigkeit des Künstlers, des Galeristen, der Kuratoren, der Kritiker und nicht zuletzt im Vertrauen auf all die anderen Sammler, die Werke des Künstlers erwerben. Dieses Vertrauen kann sich nur entwickeln, wenn das, was der Künstler macht, in Einklang steht mit dem, wie er denkt und fühlt. Kunst muss auch den Geist der Zeit, in der sie entsteht, repräsentieren. Sie kann nach vorwärts blicken als Utopie, aber niemals zurück. Wer heute impression-istisch malt und dem Impressionismus nichts Neues hinzufügt, produziert keine Kunst, sondern ist im Grunde nur ein Kopist. Im Grunde sind, was er macht, Fälschungen. Kunst braucht auch, um Kunst zu sein, Öffentlichkeit. Kunst braucht den Betrachter, also Sie und mich. Solange die Idee zu einem Kunstwerk nur im Kopf des Künstlers herumspukt, solange sich ein Werk nur in seinem Atelier befindet, ist es nicht Kunst. Kunst verlangt Auseinandersetzung. Der Künstler kann noch so tolle Ideen haben, noch so viele Bilder horten, noch so viele Skulpturen bei sich zuhause auftürmen: Zur Kunst wird das alles erst, wenn es in die Öffentlichkeit gehoben wird. Eine weitere, für mich wesentliche Voraussetzung ist das Handwerkliche der Kunst. Karl Valentin hat einmal gesagt, Kunst komme zwar von können; aber wenn man’s könne, sei es eigentlich gar keine Kunst. Das Handwerkliche der Kunst – sorgfältige, fachgerechte Ausführung, die Verwendung der besten Materialien, Dauerhaftigkeit – scheint für viele Künstler kein Thema mehr zu sein. Aber Kunst ist Handwerk, ihr Inhalt ist, wie es Josef Mikl einmal ausgedrückt hat, bloß der Auftrag für den jeweiligen Ausführenden. Ob daraus Kunst werde, hänge von seinem Charakter und seiner Begabung ab. Mir ist durchaus bewusst, dass ich mich hier auf ein glattes Parkett begebe: Das Handwerkliche steht derzeit nicht hoch im Kurs. Aber für mich ist die Beherrschung des Handwerks eine Grundvoraussetzung. Ich will Malerei sehen, keine Schmiererei. Ich will eine gediegene Ausführung, keinen Wegwerfmüll. Kunst, das ist für mich abwechselnd und zusammenwirkend Handwerkerfleiß, Konzentration, Qualitätsgefühl und Erfindergeist. Übrigens: Auch über das Handwerkliche ließe sich herrlich streiten. Und auch hier ließen sich Qualitätskriterien herausarbeiten. Noch etwas: Kunst repräsentiert geistige Zeitströmungen: Wenn Kunst eine Sprache ist, dann muss sie auch verstanden werden. Auch hier geht es nicht ohne uns und die Assoziationen, die wir einbringen, wenn wir das Kunstwerk betrachten. Das Kunstwerk muss also interpretierbar sein, und unsere Interpretation beruht auf den gemeinsamen Vorstellungen und Werten einer Epoche. Ein Kunstwerk muss in meinen Augen auch innovativ sein. Das heißt: Der Künstler muss einen originären Stil finden, eine eigene Formensprache entwickeln. Erst Form und Gestaltung machen eine Thematik zum Kunstwerk. Das Thema und der Inhalt, von vielen Kunstinsidern zum wichtigsten Kriterium ernannt, sind in meinen Augen sekundär. Denn die Vermittlung des bloßen Inhalts ist noch kein Kunst-Ereignis, sondern kann genauso gut eine Sache der Wissenschaft sein, eine Reportage, pure Information oder eine Dokumentation. Bei der Kunst kommt es nicht auf das Was an, sondern auf das Wie. Und nicht zuletzt: Ein Kunstwerk, für das ich mich begeistere, ist immer widersprüchlich. Ohne zwiespältige Emotionen gibt es keine nachhaltige Wirkung. Kitsch, und daran könnte man ihn leicht erkennen, ist hingegen immer eindeutig. Es gibt keinen Anlass, keine Herausforderung, keinen Grund, Kitsch zu hinterfragen. Kitsch bestätigt gemütvoll das bis zum Überdruss Bekannte. Es braucht also sehr viel, um in meinen Augen als Kunstwerk zu gelten, mit dem ich mich auseinandersetzen will.

Und wenn Sie für sich einen Kriterienkatalog aufstellen, werden Sie schnell entdecken, dass auch Ihre Anforderungsliste recht umfangreich ist. Und Sie werden feststellen, dass das, was Sie suchen, wenn Sie in eine Ausstellung gehen, sehr oft nicht erfüllt wird. Viele Künstler weisen häufig jegliche an Sie gestellte Ansprüche zurück. Sie verweigern sich mit ihrer Kunst als Medium geistiger Strömungen, Utopien und gesellschaftlicher Gegenentwürfe. Sie verhalten sich, als wäre schon die Idee, alles Wesentliche unserer Existenz, unsere Sehnsüchte, Ängste und Bedürfnisse, zur Anschauung zu bringen, hoffnungslos romantisch und vorgestrig. Sie streben weder eine Verdichtung und Zusammenfassung des Lebens und seiner Erscheinungen an, noch wollen sie der Fülle der Ereignisse eine verbindende Form geben. Sie negieren geradezu demonstrativ den Gedanken, eine Gesellschaft könne sich in ihrer Kunst festigen oder rechtfertigen, geschweige denn feiern. Nicht selten verlassen sie sogar das der Kunst angestammte Feld, Kritik an den herrschenden Zuständen zu üben, Protest zu erheben oder Impulse für Veränderungen zu geben. Auch das Sinnliche der Kunst scheint ihnen suspekt geworden zu sein. Es passiert jedenfalls nicht selten, dass ich enttäuscht werde, wenn ich in eine Ausstellung gehe. Ich vermisse etwas, und ich vermisse es schmerzlich. Wie alle anderen Menschen auch bin ich von meinen ganz persönlichen Erfahrungen, Vorbildungen und Vorlieben geprägt. Wenn ich in ein Museum gehe, in eine Galerie, suche ich ein sinnliches Erlebnis – und bin enttäuscht, wenn ich mit etwas Sprödem, Indifferentem konfrontiert werde, das mich ratlos zurücklässt. Ich suche noch immer die alten Ideale und meine ganz private, persönliche Vorstellung von Schönheit – und finde sie viel zu selten. Mag sein, dass ich schon zu alt bin, um mich dem Neuen noch stellen zu können. Aber allzu oft stehe ich vor Werken, die ich für belanglos und unausgegoren halte. Allzu oft ärgere ich mich über die wenig überzeugende Inszenierung einer Ausstellung, allzu oft über Kuratoren, deren akrobatische Interpretationen etwas versprechen, das die präsentierten Werke nicht halten. Allzu oft ziehe ich ein ernüchterndes Resümee nach der Begegnung mit Kunst. Allzu oft vermisse ich, so richtig gepackt, ergriffen, berührt zu werden – etwas, das mir unverzichtbar scheint. Allzu oft vermisse ich das Erlebnis, etwas wirklich Neues, Überraschendes, Mitreißendes zu entdecken. Allzu oft vermisse ich, mit einem Wort, die Kraft der Kunst. Und darauf kommt es mir an: Ich will, dass mich ein Kunstwerk berührt, dass es mir unter die Haut geht, dass es mich dazu bringt, über etwas intensiver nachzudenken. Ich schaue mir Kunstwerke, die mich sofort begeistern, immer mehrmals an und beobachte die sich verändernde Wirkung, die sie auf mich haben. Ja, ich will, dass ein Kunstwerk schön und sinnlich ist. Ich will, dass es authentisch ist, also echt in jedem Wortsinn. Aber um die Handschrift eines bestimmten Künstlers von der jedes anderen unterscheiden zu können, muss ich einiges von diesem Künstler gesehen haben. Ich halte deshalb überhaupt nichts davon, wenn sich jemand ein Kunstobjekt ansieht und nach zwei Minuten ein Urteil abgibt. Ich bin überzeugt, dass eine Bewertung seriöser Weise gar nicht möglich ist, wenn man dem Künstler halbwegs gerecht werden will. (Wobei es um Bewertung gar nicht geht, sondern darum, ob und was das Kunstwerk für mich bedeutet.) Und ja, ich schätze das Handwerkliche eines Kunstwerks. Ich will die Ernsthaftigkeit nachvollziehen können, mit der der Künstler vorgegangen ist. Ich will noch immer glauben, dass die Kunst über uns hinausweist, dass sie für die Ewigkeit gemacht ist. Ich will die Chance haben, mich lange genug mit dem Kunstwerk beschäftigen zu können, um irgendwann zu verstehen, worum es dem Künstler ging. Ich will keine Wegwerf-Kunst, die nach der Ausstellung schnurstracks auf den Müll geworfen wird. Und ich will, dass der Künstler etwas macht, das neu ist, das innovativ ist, das mich herausfordert. Es ist zwar immer schön, in eine Ausstellung zu gehen, in der die Werke der Impressionisten, der Fauves, der ersten Abstrakten oder der Neuen Wilden präsentiert werden. Es ist, als würde man alten Freunden begegnen. Aber von einem Künstler, der heute lebt, erwarte ich mir etwas ganz anderes: Von ihm will ich überrascht werden. Ich will verblüfft werden. Ich will irritiert werden. Ich will spüren, dass da etwas im Entstehen ist, das es bis dahin noch nicht gegeben hat. Und ich will durchaus auch aus meinem privaten Dornröschenschloss herausgerissen werden durch seine Kunst.

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