Peter Friedl – Teatro
Peter Friedls facettenreiche Arbeiten und Projekte – durchaus heterogen in Bezug auf Medium und Stil – verstehen sich als exemplarische Vorschläge und Lösungen für ästhetische Probleme hinsichtlich unseres politischen und historischen Bewusstseins. Auf der Suche nach neuen narrativen Modellen erforschen sie die Konstruktion und die Grenzen von Repräsentation. Dabei kommen konzeptuelle Strategien wie kontextuelle Transfers oder die Neuinterpretation von Genres aus der Geschichte der Moderne zur Anwendung. Die Ausstellung Teatro in der Kunsthalle Wien konzentriert sich auf eine Reihe wiederkehrender Themen in Friedls Œuvre: Modell, Sprache, Geschichte, Übersetzung, Theatralik. Herzstück der Ausstellung ist die im Rahmen der documenta 14 (2017) erstmals präsentierte Filminstallation Report (2016). Ausgehend von Kafkas „Ein Bericht für eine Akademie“ (1917), der Selbstauskunft des über seine Integration in die menschliche Gesellschaft reflektierenden Affen Rotpeter, entfaltet Friedl eine ebenso komplexe wie kinematographisch opulente Reflexion über das Wechselspiel von Identität und Sprache, Anpassung und Autonomie. Das Personal umfasst mehr als zwanzig Akteure, die entweder in ihrer jeweiligen Muttersprache oder einer Sprache ihrer Wahl (Arabisch, Dari, Englisch, Französisch, Griechisch, Kurdisch, Russisch, Swahili) Auszüge aus Kafkas Text vortragen. Allein die Originalsprache, Kafkas Prager Deutsch, kommt nicht vor. Schauplatz ist die leere Bühne des griechischen Nationaltheaters in Athen.
Werke wie The Dramatist (Black Hamlet, Crazy Henry, Giulia, Toussaint) (2013) und Teatro Popular (2016–2017) sind weitere Beispiele für Friedls Auseinandersetzung mit dem Topos Theatralität, nehmen ihn aber stärker unter dem Begriff des Modells in den Blick. Als Referenz dienen historisch überlieferte Formen des Marionetten- und Puppentheaters. Sowohl The Dramatist als auch Teatro Popular sind als Modellanordnungen für mögliche Gegen-Erzählungen zu den modernen Meisternarrativen lesbar. Sie stellen die Verbindung zu Friedls im Jahr 2012 begonnenem Projekt Rehousing her, einer Serie von Architekturmodellen, die maßstabgetreu historische, teilweise bereits zerstörte oder auch unrealisiert gebliebene Architekturen nachbilden. Bei den ausgewählten Häusern handelt es sich um Lebenswelten, in denen sich auf ganz unterschiedliche Weise Geschichte, Politik, Biografien und Ideologien spiegeln; als „Fallstudien für die mentale Geografie einer anderen Moderne“ (Friedl). Anlässlich der Ausstellung in Wien sind zwei neue Modelle hinzugekommen: das inzwischen in ein Museum umgewidmete ehemalige Wohnhaus von Winnie und Nelson Mandela im südafrikanischen Soweto (8115 Vilakazi Street) sowie das Modell eines jener containerähnlichen Fertighäuser, aus denen Amona bestand – der 2017 geräumte israelische Außenposten in den palästinensischen Gebieten im Westjordanland. Neben aktuellen Produktionen versammelt Teatro auch ältere Arbeiten, etwa die auf der documenta X gezeigte Videoarbeit Dummy (1997) oder das Langzeitprojekt Theory of Justice (1992–2010), die sich – über formal sehr unterschiedliche Strategien – der Problematisierung von Gerechtigkeitsfiktionen widmen.
In Korrespondenz mit den neueren Arbeiten geben sie nicht nur Aufschluss über thematische wie formale Kontinuitäten und Wendungen in Friedls Werk, sie gewinnen im Blick auf gegenwärtige Verteilungs- und Anerkennungskämpfe auch eine neue, oftmals beklemmende Aktualität. Peter Friedl (geb. 1960 in Österreich) ist ein in Berlin lebender Künstler. Seine Arbeiten wurden international ausgestellt, u.a. im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Madrid; Centre Pompidou, Paris; Walker Art Center, Minneapolis; Van Abbemuseum, Eindhoven und in der Hamburger Kunsthalle. Er nahm an der documenta 10, 12 und 14 (1997, 2007 und 2017); der 48. und 56. Biennale von Venedig (1999 und 2015); der 3. Berliner Biennale für zeitgenössische Kunst (2004); Manifesta 7, Trento (2008); der 7. Gwangju Biennale (2008); der 28. Bienal de São Paulo (2008); La Triennale, Paris (2012); der Taipei Biennale (2012 und 2016); der 10. Shanghai Biennale (2014); der 5. Thessaloniki Biennale (2015) und der 1. Anren Biennale (2017) teil. Er wird an der kommenden Sharjah Biennale 14 (März 2019) teilnehmen. Ausgewählte Einzelausstellungen sind u.a. OUT OF THE SHADOWS, Witte de With, Rotterdam (2004); Work 1964–2006, Museu d‘Art Contemporani de Barcelona; Miami Art Central; Musée d‘Art Contemporain, Marseille (2006–07); Blow Job, Extra City Kunsthal, Antwerpen (2008); Working, Kunsthalle Basel (2008); Peter Friedl, Sala Rekalde, Bilbao (2010); The Dramatist, Artspace, Auckland (2014); The Diaries, Grazer Kunstverein, Graz (2016) und Teatro Popular, Lumiar Cité, Lissabon (2017). Kuratorinnen: Anne Faucheret, Vanessa Joan Müller. [Kunsthalle Wien. Dauer 22, März bis 9. Juni 2019 – Foto: © Kunsthalle Wien]
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