SAGMEISTER & WALSH: Beauty
Mit ihrem faszinierenden Ausstellungsprojekt Beauty liefern Stefan Sagmeister und Jessica Walsh ein multimediales, höchst sinnliches Plädoyer für die Lust am Schönen. Nahezu im gesamten 20. und 21. Jahrhundert war und ist Schönheit im Designdiskurs eher negativ besetzt. Dieser Antipathie setzen Sagmeister & Walsh beeindruckende Argumente entgegen und machen Schönheit als einen zentralen, funktionalen Aspekt ansprechender Gestaltung erlebbar. Die das gesamte MAK am Stubenring durchfluten- de Ausstellung spielt mit allen Sinnen der BesucherInnen und zeigt deutlich auf: Schönheit ist mehr als eine rein oberflächliche Strategie. Ein Mix aus eigens für die Ausstellung produzierten Installationen und Beispielen aus Produktdesign, Stadtplanung, Architektur und Grafikdesign animiert in der MAK- Säulenhalle, im MAK DESIGN LABOR, in der MAK GALERIE, im MAK- Kunstblättersaal und in der MAK-Schausammlung Gegenwartskunst zum Sehen, Riechen und Fühlen. Unterstützt von Erkenntnissen aus der psychologischen Ästhetik treten Sagmeister & Walsh den Beweis an, dass schön gestaltete Arbeiten die menschliche Wahrnehmung stimulieren und damit besser funktionieren. Gegliedert in sechs Ausstellungsthemen – „Was ist Schönheit?“, „Die Geschichte der Schönheit“, „Im Auge des Betrachters“, „Schönheit erleben“, „Transformierende Schönheit“ und „Das Schönheitsarchiv“ – entfachen rund 70 Objektgruppen einen ästhetischen Diskurs zur Schönheit als Paradigma für hochwertige Gestaltung. Als ein Herzstück der Ausstellung spielt der gemeinsam mit Swarovski gestaltete Sensory Room mit allen Sinnen der BesucherInnen. Ein sinnlich inszenierter White Cube lädt zum Betreten ein. In enger Zusammenarbeit mit dem Kreativteam von Swarovski entstand die Außenhülle dieser Installation im MAK DESIGN LABOR: Tau- sende Swarovski-Kristalle funkeln in einem von Sagmeister & Walsh entworfenen Or- nament und verleihen dem Raum einen besonderen Zauber. Im Inneren treffen die BesucherInnen – in Nebel gehüllt – auf ständig wechselnde Farben des Sonnenuntergangs.
Als „schön“ empfundene Gerüche wie Zitrusduft und ein Klangteppich von Ge- sängen des Malaysischen Sumpffrosches ermöglichen ein unvergleichliches Erleben von Schönheit. Wer diesen Raum der Ausstellung verlässt, fühlt sich wohl und gut. Der spektakuläre, mit Projektionen bespielte Nebelvorhang Fog Screen inszeniert den MAK-Haupteingang am Stubenring und führt schon beim Betreten des Museums zur zentralen Frage: „Was ist Schönheit?“. Die von unzähligen PhilosophInnen und Wis- senschaftlerInnen diskutierte Frage, was Schönheit ausmacht, beantworten Sagmeister & Walsh mit Fakten: Schönes wirkt unmittelbar auf die Dopaminrezeptoren und auf das Empfinden, somit kann schöne Gestaltung als funktionell verstanden werden. Symmetrie definieren Sagmeister & Walsh als universelle Komponente des Schönheits- empfindens. Diese These untermauern sie mit mehreren Installationen: Unter anderem können BesucherInnen mit einer interaktiven App symmetrische Strukturen generie- ren und via App eine damit bedruckte Tote Bag bestellen. Ein auf eine Großleinwand projizierter Vogelschwarm, der sich in seiner Dichte und Geschwindigkeit kontrollieren lässt, belegt, dass ausbalancierte Muster tendenziell bevorzugt werden. Schönheit ist seit jeher ein bestimmendes Moment für die PartnerInnenwahl, die Re- produktion und die Evolution. Wir empfinden positive Emotionen, wenn wir Schönes sehen. Beispiele aus allen Epochen der Menschheitsgeschichte lassen im Ausstellungsbereich „Die Geschichte der Schönheit“ keinen Zweifel am Begehren nach Schönheit. Sexuell anziehend ist nicht nur physische Schönheit, sondern auch die Fähigkeit, schöne Dinge zu kreieren. Das war schon in der Prähistorie so: Für den symmetrischen Schliff von Steinäxten gab es keine Begründung, allerdings gewannen die Hersteller dieser Werkzeuge mit ihrem Gefühl für symmetrische Gestaltung und mit feinmotorischem Können an Attraktivität.
Auch das Negieren von Schönheit wird im Rahmen dieses Ausstellungsbereichs umfassend thematisiert. Das ästhetische Empfinden ist weniger subjektiv als gemeinhin angenommen. Im Kapitel „Im Auge des Betrachters“ werden bemerkenswerte Ähnlichkeiten in verschiedenen Kulturen und Zeitepochen aufgespürt. Wie universell das Schönheitsempfinden ist, verdeutlicht unter anderem die Visualisierung von Untersuchungen von Chris McManus, Psychologe am University College London: 85 Prozent der ProbandInnen können auf Anhieb ein Werk von Piet Mondrian von der leicht abgeänderten Fälschung unterscheiden. Einmal mehr laden Sagmeister & Walsh hier zur Interaktion: Die Eintrittskarte ist mit geprägten Münzen versehen, die auch zum Abstimmen über Lieblingsformen eingesetzt werden können. Um Farbwahrnehmung geht es in The Color Room. Der mit intensiven, blau- rosafarbenen Mustern überzogene Raum wird regelmäßig mit einem speziellen Licht beleuchtet, das bestimmte Farbtöne grau erscheinen lässt. Farbigkeit wird gemeinhin als schöner empfunden. Schönheit hat das transformatorische Potenzial, die Welt zu verbessern, wie im Ausstellungsbereich „Transformierende Schönheit“ deutlich wird. Unter anderem zeigt die Installation From Garbage to Functional Beauty, wie der unkonventionelle französische Designer Thierry Jeannot gemeinsam mit mexikanischen Müllsammlerinnen einen wunderschönen Kronleuchter aus Plastikmüll schafft. Beauty schließt mit einem von Sagmeister & Walsh kuratierten „Schönheitsarchiv“ mit den formal schönsten Exponaten des MAK: ein Best-of von museal als schön bewerteten Objekten. Ausstellungsdauer bis 31. März 2019 (Foto: MAK)
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